Die Einführung von multidisziplinären Behandlungsteams für Brustkrebspatientinnen war assoziiert mit einer Senkung der Brustkrebsmortalität um 18 Prozent nach fünf Jahren, die Gesamtmortalität um elf Prozent, verglichen mit den in der gleichen Zeitperiode behandelten Patientinnen benachbarter Spitäler ohne Einführung dieser Teams. Das zeigt eine retrospektive Studie, die im British Medical Journal erschienen ist und zwei verschiedene Regionen in Schottland vergleicht: Eine rund um Glasgow, wo 1995 das Arbeiten in multidisziplinären Teams in fünf Spitälern eingeführt wurde. Als Vergleich wurden Spitäler in Westschottland herangezogen, die diese Teams nicht einführten.
In den frühen 1990ern wurden Unterschiede im Überleben von Brustkrebspatientinnen in den Spitälern des Greater Glasgow (GG) Health Boards offensichtlich. Das Spital mit den besten Überlebensdaten hatte eine Besonderheit in der Versorgung: multidisziplinäre Teams. Entsprechend diesem Vorbild wurden in fünf Spitälern des GG Health Boards Teams eingeführt, die jeweils von einem spezialisierten Chirurgen geleitet wurden, der mindestens 50 Brustkrebsoperationen jährlich durchführt. Als weitere Mitglieder waren ein/e PathologIn, ein/e medizinische OnkologIn, ein/e RadiologIn und eine spezialisierte Pflegeperson definiert. Es wurde nach Evidence based Guidelines gearbeitet. Wöchentliche Teammeetings zur Therapiebesprechung wurden abgehalten, Ergebnisse regelmäßig besprochen. Die fünf Teamleiter der Spitäler des GG Health Boards trafen sich regelmäßig mit dem regionalen Direktor für Public Health um die Ergebnisse zu diskutieren. Häuser des GG Health Boards, die nicht auf diese Patientinnenzahlen kamen, mussten Brustkrebspatientinnen an die fünf Zentren überweisen.
Für die retrospektive Vergleichsstudie wurde das Schottische Krebsregister herangezogen. Das Einzugsgebiet des Greater Glasgow Health Boards (mit einer Population von 900.000) wurde mit dem anderer Health Boards im Westen Schottlands verglichen (1,600.000), die bis 2000 keine derartige Versorgungsstruktur einführten (Nicht-Interventions-Gebiet). Insgesamt 14.358 Frauen mit invasivem Brustkrebs wurden zwischen 1990 und 2000 in den beiden Regionen behandelt. Im Interventionsgebiet zeigt sich vor der Einführung der Teams eine um elf Prozent höhere Mortalität. Nach 1995 aber liegt die Brustkrebsmortalität um 18 Prozent unter der des Nicht-Interventions-Gebiets, wobei die älteste Patientinnengruppe (über 80 Jahre) am meisten profitierte. Auch bei der Altersgruppe von 65 bis 79 Jahre zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied, während bei den jüngeren keiner nachzuweisen war. Was die Gesamtmortalität anbelangt, so zeigte sich kein Unterschied zwischen den Gebieten vor 1995, wohl aber nach Einführung der Teams: Sie lag um elf Prozent unter der des Nicht-Interventions-Gebiets. Was sich noch änderte im Interventionsgebiet? Die Unterschiede in den Ergebnissen, die zwischen den Spitälern des Greater Glasgow Health Boards bestanden hatten, verringerten sich.
„Mit diesem Artikel konnte gezeigt werden, dass interdisziplinäres Management von Tumorpatientinnen und Patienten nicht nur die Behandlungsqualität verbessert, sondern auch zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens führt. Dieses Ergebnis betätigt, dass die Schritte zu gelebter Interdisziplinarität, die wir in den letzten Jahren unternommen haben, richtig waren und bestärkt uns darin den eingeschlagenen Weg fortzusetzen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Rupert Bartsch, internistischer Onkologe am Brustgesundheitszentrum AKH/MedUni Wien.
„Im Bereich des Comprehensive Cancer Centers Wien besteht seit mehr als einem Jahrzehnt eine formelle und informelle Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen - nicht zuletzt gefördert durch das CCC als Schnittstelle der BehandlerInnen. Die Schaffung einer gemeinsamen und von allen Disziplinen harmonisierten Datenbank mit allen relevanten Daten unserer Brustkrebspatientinnen ist der nächste konkrete Schritt in diese Richtung. Das heißt: Interdisziplinarität senkt schnell die Mortalität, langfristig kann sie aber noch viel mehr. Sie hilft uns in den nächsten Jahren unsere klinischen Fragestellungen schneller und konkreter als zuvor zu beantworten“, sagt Dubsky.
Kesson EM, Allardice GM, George WD, Burns HJ, Morrison DS: Effects of multidisciplinary team working on breast cancer survival: retrospective, comparative, interventional cohort study of 13 722 women; BMJ 2012; 344:e2718; doi: 10.1136/bmj.e2718.
http://www.bmj.com/content/344/bmj.e2718
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